introducing.dreams.of.persephone512

Posts tagged “Meta

Meta: Wie meine Gedichte entstehen

Gestern wurde ich gefragt, wie meine Gedichte zustande kommen. Das ist erstaunlich schwierig zu beantworten: Mir fehlt die Distanz zu mir selbst. In meiner eigenen Wahrnehmung passieren sie einfach; man werkelt an ihnen herum und baut sie auf wie ein kleines Haus, ändert hier und da immer wieder etwas ab, bis man zufrieden ist, und am Ende sind sie da. Wobei sich einzelne Prozesse für sich betrachtet schon beschreiben lassen: Manchmal ist ein Vers zuerst da, oder auch nur ein einzelner Reim, und der Rest folgt darauf. Aber der Prozess an sich ist mir selbst ein Rätsel, und ich beobachte mich selbst dabei vermutlich verwunderter als irgendjemand anders. Aber im Grunde ist es so: Schreibt man einen Aufsatz, eine Analyse oder dergleichen, dann weiß man anfangs noch nicht so genau, worauf es hinauslaufen wird: Man fängt an, recherchiert, analysiert, und am Ende kommt man irgendwo heraus, wenn auch nicht zwangsläufig dort, wo man es beabsichtigt hatte.

Bei meinen Gedichten ist es umgekehrt. Ich schreibe sie fast immer rückwärts (und fange dabei auch bei der letzten Strophe an). Es ist wie… als ob man ein Pferd erstmals durch ein bekanntes Moor führt: Man selbst kennt den Weg bereits, man weiß wo man am Ende hinauskommen muss; aber man kann nicht denselben Weg gehen, den man bereits gewohnt und schon tausende Male zuvor gegangen ist: Denn nun hat man einen Begleiter, der anders ist als man selbst, schwerfälliger, der leichter im Moor versinken würde. Man sucht sich also einen Weg, den beide gehen können ohne zu versinken, für einen selbst dabei doch neu; man muss ihn erst suchen, ertasten, prüfen, revidieren, umkehren und einen neuen einschlagen, bis man endlich einen sicheren Weg gefunden hat, mit dem man zufrieden ist, und der einen dort hin bringt, wo man hinwill. Und während all dieser Zeit führt man seinen Begleiter am Zügel hinter sich her, der einem wortlos, aufmerksam, skeptisch und doch vertrauensvoll in leichter Verwunderung folgt, und um dessen Einsinken man so bedacht ist wie um sein eigenes. Dieses Pferd ist der Leser, dieses Moor meine Gedanken, und dieser Weg das Gedicht.